Diversity Management: Die Kunst, Talente zu erkennen und zu fördern | DSGV - 2016

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Diversity Management: Die Kunst, Talente zu erkennen und zu fördern

Vielfalt fördern: Mitarbeiter eines Unternehmens bringen eine Vielzahl unterschiedlicher Lebensgeschichten, biografischer und sozialer Hintergründe mit. Ein gezieltes Diversity Management hilft nicht nur dabei, diese Vielfalt in eine offene und auf Anerkennung basierende Arbeitswelt zu überführen, sondern macht sie auch zu einer wichtigen Ressource für innovatives und zukunftsgerichtetes unternehmerisches Handeln. Experten sehen in der Diversifizierung des Denkens einen Kulturwandel, der mindestens ebenso bedeutend ist wie die Digitalisierung. Auch beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) steht das Thema ganz oben auf der Agenda. Ein Gespräch mit Ute Hennings, Beauftragte für Diversity und Talentmanagement beim DSGV.

Frau Hennings, was ist Ihre Aufgabe als Beauftragte für Diversity und Talentmanagement?

Die Idee, diese Position einzurichten, entstand vor dem Hintergrund der Verabschiedung des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“. Von diesem Gesetz sind zwar nur wenige Institute unserer Gruppe betroffen, wir wollten es dennoch als Anlass nehmen, das Thema „Diversity“ zu besetzen. Dabei wollten wir bewusst einen breiteren Blickwinkel einnehmen und über die Frage der Gleichstellung hinaus alle wichtigen Aspekte des Diversity- und Talentmanagements in den Blick nehmen.

Der Kerngedanke ist, dass es unter den Beschäftigten in der Sparkassen-Finanzgruppe eine immense Vielfalt an Talenten und Persönlichkeiten gibt: Menschen aus unterschiedlichen Generationen, mit unterschiedlichen Qualifikationen, Lebensentwürfen oder kulturellen Hintergründen. Dadurch bietet sich eine erstaunliche Bandbreite von Potenzialen, von denen auch eine Sparkasse oder Landesbank profitieren kann. Und zwar nicht nur vor dem Hintergrund der Chancengleichheit, die sicher ein wichtiger Aspekt ist, sondern ganz ausdrücklich aus betriebswirtschaftlichen Vorteilen, die sich ergeben, wenn die Möglichkeiten und Potenziale, die sich aus der Vielfalt an Talenten und Qualifikationen ergeben, effizient und nutzbringend im Unternehmen eingesetzt werden.

Meine Aufgabe ist es, diesen Gedanken zu transportieren, dafür zu sensibilisieren und die entscheidenden Ansprechpartner zu vernetzen. Dafür haben wir zum Beispiel das Kompetenzcenter „Die Besten aus 100%“ mit Experten aus den Regionen ins Leben gerufen. Der Name ist Programm: Wir wollen dazu ermutigen, die gesamte Belegschaft in den Blick zu nehmen, die vorhandenen Talente zu erkennen und zu nutzen.

Wie unterscheidet sich Diversity- und Talentmanagement von der klassischen Personalentwicklung?

Der Blickwinkel ist ein anderer. In der klassischen Personalentwicklung wird meist vom Unternehmen und seinem Bedarf her gedacht, und dann gesagt, der Mitarbeiter muss sich dahin entwickeln, dass er diesem Bedarf genügt. Wenn ich von Talentmanagement spreche, nehme ich einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin schon als jemanden wahr, der etwas mitbringt, nämlich eine besondere Eigenschaft oder Fähigkeit. Und das kann dann auch dazu führen, dass man nicht mehr nur fragt: Auf welche Position passt denn dieser Mitarbeiter? Sondern: Kann ich das Aufgaben- und Arbeitsfeld so gestalten, dass die Talente dort am besten zum Tragen kommen?

Die Aufgabe, unterschiedliche Persönlichkeiten unter einen Hut zu bringen, stellt sich in jedem Unternehmen. Vielfach wird das aber eher als lästige Pflicht aufgefasst. Das Reizvolle an der von Ihnen geschilderten Herangehensweise ist, dass die Aufgabe einen positiven Akzent bekommt, nämlich Vielfältigkeit als Ressource und Chance zu begreifen.

Genau. Und es ist faszinierend, wie viele Handlungsfelder das einbezieht. Es geht dabei nicht nur um klassische Aufgaben des Personalmanagements, wie Einsatzplanung oder Qualifizierung, sondern auch um viele andere Aspekte: Von der Arbeitsgestaltung und -organisation bis hin zur Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Wenn zum Beispiel ein neues Produkt oder eine Marketingkampagne entwickelt werden sollen, ist es durchaus sinnvoll, zu fragen: Wen beziehe ich bei der Entwicklung mit ein? Sind das nur die Experten aus dem Marketing, oder wäre es nicht auch ratsam, Kolleginnen und Kollegen miteinzubeziehen, die der Zielgruppe entsprechen, etwa Frauen, ältere Mitarbeiter oder ähnliches?

In vielen Unternehmen sind Weiterbildungs- oder Qualifizierungsmaßnahmen eher etwas, das dem Mitarbeiter überlassen wird. Ein gezieltes Talentmanagement spricht dem Unternehmen aber eine deutlich proaktivere Rolle zu?

Das ist genau der Punkt. Es geht darum, Personalmaßnahmen nicht als Kostenfaktor anzusehen, sondern als lohnende Investitionen in Talente. Und das über alle Altersstufen und die ganzen Dimensionen der Vielfalt hinweg, die sich in einem Unternehmen befinden. Das ist auch eine Art von Nachhaltigkeit, nämlich die vorhandenen Ressourcen sorgfältiger und effizienter einzusetzen.

Die Kunden der Sparkassen umfassen die gesamte Bandbreite der Gesellschaft. Wenn man nun die Vielfalt im eigenen Unternehmen stärker wahrnimmt, hilft das auch dabei, die Kunden und ihre Bedürfnisse besser zu verstehen?

Ganz sicher. Mit unseren über 50 Millionen Kunden sind wir Spiegel der Gesellschaft und bekommen gesellschaftliche Entwicklungen in ihrer ganzen Vielfältigkeit mit. Viele dieser Entwicklungen spiegeln sich natürlich auch in der Belegschaft: veränderte Kundenbedürfnisse, verändertes Nutzungsverhalten und Ähnliches. Der Blick nach innen schärft auch den Blick nach außen, das haben wir in vielen Projekten gesehen, etwa wenn es um Konzepte für Nachwuchskunden oder für Kunden mit Migrationshintergrund ging.

Wie viel von dieser Thematik ist bei den Sparkassen präsent?

Das Wissen um die Bedeutung des Themas ist in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Personalentwicklung insgesamt ein immer wichtigeres Thema geworden ist. Die demografische Entwicklung ist auch bei den Sparkassen spürbar. In vielen Instituten liegt das Durchschnittsalter der Belegschaft bei 45 Jahren und darüber. Das heißt, wir müssen zum einen darauf achten, dass wir die vorhandenen Mitarbeiter leistungsstark und gebunden halten bis zum Ruhestand und sogar darüber hinaus. In vielen Sparkassen gibt es ja sogenannte „silver worker“, die auch im Ruhestand noch Aufgaben übernehmen, etwa Weltspartage oder Fachtagungen organisieren helfen und ähnliches. Zum anderen müssen die Sparkassen attraktiv bleiben für die junge Generation, für digitale Talente. Damit will ich nicht sagen, dass man nur in der jüngeren Generation digitale Talente findet, aber es gibt natürlich die Generation der Digital Natives, und auch für die müssen die Sparkassen ein attraktiver Arbeitgeber sein.

Und schließlich muss es ein Umfeld geben, in dem die jungen und die etablierten Mitarbeiter sich austauschen können und miteinander ins Gespräch kommen. Wir haben in den vergangenen Jahren mit Regionalverbänden und Sparkassen viele Projekte in dieser Hinsicht bearbeitet. Vor diesem Hintergrund ist auch die erste bundesweite Personalmarketing-Kampagne entstanden und auch das Karriereportal zur Rekrutierung von Nachwuchstalenten. Ganz wichtig sind aber auch die Ergebnisse des Projektes „Arbeitgeberattraktivität 2.0“. Dort haben wir den Aspekt der Bindung leistungsstarker Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichrangig neben das Thema Rekrutierung gestellt.

Als Arbeitgeber und Ausbildungsunternehmen genießen die Sparkassen traditionell eine hohe Popularität. Wie kann diese Position auch in Zukunft gesichert werden?

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist nach wie vor der größte Ausbilder im Kreditgewerbe. Die Attraktivität ist auch bei der jungen Generation noch hoch: Im aktuellen trendence-Ranking liegen die Sparkassen im obersten Drittel. Allerdings darf man auch nicht übersehen, dass sie einige Plätze eingebüßt haben, obwohl es die erste bundesweite Personalmarketing-Kampagne gegeben hat. Ein Faktor ist sicherlich, dass der Beruf des Bankers in Folge der Finanzkrise an Ansehen eingebüßt hat.

Wir müssen also in Zukunft stärker darauf achten, dass wir junge Menschen dort abholen, wo sie mit ihrer Lebensplanung und ihren Berufswünschen stehen, dass wir ihnen die Sicherheit und Perspektive bieten, die sie suchen, aber auch interessante und flexible Arbeitsfelder. Wir müssen moderne Bilder transportieren, um Nachwuchstalente anzuwerben und so einzubinden, dass sie möglichst lange bei uns bleiben.

In der Vergangenheit gab es dazu verschiedene Projekte wie Azubi-Tage oder Azubi-Filialen. Liegt darin auch eine Möglichkeit, eine „Diversität der Ideen“ in die Sparkassen zu tragen?

Da sprechen Sie einen Aspekt an, den ich an unserer Finanzgruppe besonders schätze: Wir sind ja schon sehr vielfältig. Jedes Institut ist eigenständig und setzt selbst Akzente in den jeweiligen Handlungsfeldern. Und dadurch haben die Regionalverbände und wir als Bundesverband eine große Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten und Best-Practice-Beispielen, die wir diskutieren und weitergeben können.

Die unterschiedlichen Azubi-Projekte sind da ein hervorragendes Beispiel. Da gibt es in den Sparkassen ja eine beeindruckende Bandbreite von Ansätzen, wie Eigenverantwortlichkeit und Ideenreichtum der Auszubildenden gefördert und eingesetzt werden können: Von selbstorganisierten Einführungswochen über gemeinnützige Projekte oder Social-Media-Redaktionen bis hin zu den Azubi-Filialen.

Es gibt inzwischen eine Reihe von Sparkasse mit Azubi-Filialen. Das ist ein sehr erfolgreiches Konzept. In Krefeld gibt es zum Beispiel die ständige Aha!-Filiale in sehr attraktiver Citylage. Dort können die Azubis das Ambiente und die Kleiderordnung bestimmen, und sie können eigene Aktionen durchführen. Sie setzen sich dort auch ihre eigenen Verkaufsziele, und die sind nicht gerade niederschwellig: Die haben richtig gute Verkaufserfolge.

Und das ist für mich ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Diversity so eingesetzt werden kann, dass Unternehmen, Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen davon profitieren. Die Azubi-Filialen schaffen ein Umfeld, in dem die frischen Ideen junger Talente eingebracht und gleich in die Praxis umgesetzt werden. Damit erfahren die Nachwuchskräfte eine wirkliche Anerkennung ihrer Ideen. So erleben Nachwuchskräfte gelebte Wertschätzung und wissen, sie sind wirklich im Unternehmen angekommen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Bericht an die Gesellschaft 2016

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