Infrastruktur | DSGV - 2018
© Sparkasse Freyung-Grafenau

Infrastruktur

Daheimvorteil mit selbstbewusster Standortwerbung

Der Landkreis Freyung-Grafenau liegt am äußersten Rand der Republik, hat viel Grün und wenig Industrie. Wie motiviert man Menschen, dort hinzuziehen? Eine neue Standortkampagne zeigt, wie das klappen könnte. Mit an Bord ist auch die lokale Sparkasse.

„Mehr als du erwartest.“ Mit diesem optimistischen Motto lanciert der Landkreis Freyung-Grafenau eine Kampagne, die in der Region für mehr Selbstbewusstsein und außerhalb für mehr Aufmerksamkeit sorgen soll. Dabei versucht die Kampagne eine interessante Balance: Einerseits hob die Kampagne gerade das ländliche Umfeld, den hohen Freizeitwert und die Lage abseits der Metropolen als besondere Qualitätsmerkmale hervor. Andererseits zeigte sie mit unkonventionellen Aktionen, wie man einen Standort neu inszenieren kann und damit auch bei einem großstädtischen Publikum Neugierde und Interesse wecken kann.

Wie viele ländliche Regionen ist auch der Landkreis Freyung-Grafenau vom demografischen Wandel betroffen. In den Nachkriegsjahren lag der Kreis, der an Tschechien und Österreich grenzt, lange im Schatten des Eisernen Vorhangs. Das Ende des Kalten Kriegs und die Öffnung der europäischen Grenzen brachten zunächst ein Bevölkerungswachstum: Um die Jahrtausendwende lebten 82.000 Menschen hier, ein historischer Rekord. Seither ist die Bevölkerung aber kontinuierlich zurückgegangen. Aktuell wohnen etwa 78.000 Menschen im Kreis. Bis 2036 rechnet das Landesamt für Statistik mit einem Bevölkerungsrückgang von 3,3 Prozent. Besonders deutlich nimmt sich den Prognosen nach der Rückgang bei den jüngeren Generationen aus. So wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen vermutlich um zwölf Prozent zurückgehen, die der 18- bis 40-Jährigen um 17 Prozent.

© Sparkasse Freyung-Grafenau
© Sparkasse Freyung-Grafenau

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkasse Freyung-Grafenau haben das Sparschwein aufwändig an einen der höchsten Berge im Bayerischen Wald transportiert

Für die regionale Wirtschaft bedeutet das: Fachkräfte sind schwierig anzulocken. Im Kreis gibt es keine Hochschule, wer studieren will, muss sich also auswärts orientieren – und kommt dann oft auch nach dem Studium nicht mehr zurück. Nur jeder fünfte Abiturient bleibt nach dem Schulabschluss im Kreis, heißt es beim Wirtschaftsreferat. Und selbst wer hier eine Ausbildung absolviert, wandert häufig ab, um sich anderswo weiterzuqualifizieren. Für die betroffenen Unternehmen ist der Mangel an Bewerbern ein Problem, weil eine zukunftsorientierte Personalplanung erschwert wird. Und auch bei der Sparkasse Freyung-Grafenau spürt man die sinkenden Bewerberzahlen: „Wir würden uns wesentlich mehr Bewerber wünschen, um offene Stellen zu besetzen“, sagt der Vorstandsvorsitzende Stefan Proßer.

Mit dem Naheliegenden überraschen

Dabei sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen im Kreis durchaus günstig. Die Arbeitslosenquote ist mit drei Prozent ausgesprochen niedrig. Und das wirtschaftliche Spektrum wird längst nicht mehr von Holz, Glas und Stein bestimmt, den Branchen, die früher hier vorherrschend waren. Schon seit Längerem sind hier Hochtechnologie-Unternehmen heimisch geworden.

Die Standortkampagne will die Stärken der Region darum deutlicher in den Vordergrund stellen. Das tut sie mit einem Paket unterschiedlicher Maßnahmen, von denen manche zunächst einmal sehr bekannt klingen: Es gibt eine Kampagnen-Homepage, auf der sich die Kommunen und Unternehmen des Kreises präsentieren, junge Gründer und Gründerinnen vorgestellt werden und Porträts über Menschen der Region zu lesen sind. Ein engagiertes Social-Media-Team kommuniziert über Facebook, Twitter und Instagram, dazu gibt es eine 80-seitige Broschüre in frischem Design. All das kennt man auch von anderen Standortkampagnen.

Art und Umfang der Eigendarstellung sind dann aber doch überraschend. Ganz bewusst werden die Besonderheiten der ländlichen Region etwas launig als Qualitäten nach vorne gestellt: viel Natur, bezahlbarer Wohnraum, hohe Sicherheit, jede Menge freier Kita-Plätze. Ganz bewusst hat man sich aber vor allem dafür entschieden, die Kampagne gezielt dort hinzutragen, wo die Vorurteile über das Leben auf dem Land am größten sind – in die Ballungsräume selbst. Kampagnen-Scouts wurden in die bayerischen Großstädte geschickt, um dort Werbung für die Provinz zu machen. In Parks, Einkaufs- und Szenevierteln verteilten sie Broschüren, außerdem VR-Brillen, auf denen ein 360°-Imagefilm zu sehen war. Auch Einladungsformulare, mit denen man sich für ein kostenloses Kennenlern-Wochenende bewerben konnte, wurden verteilt. „Eine derartige Bewerbungsmappe hat bislang kein bayerischer Landkreis geschnürt“, staunte die „Süddeutsche Zeitung“ in München nicht schlecht.

© Sparkasse Freyung-Grafenau
© Sparkasse Freyung-Grafenau

Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Freyung-Grafenau Stefan Proßer (rechts) und Vorstandmitglied Dietmar Attenbrunner

Die Kampagne sollte aber natürlich nicht nur nach außen wirken, sondern vor allem im Kreis selbst mehr Identifikation stiften, insbesondere bei den jungen Menschen. Ausdrücklich hat die Kampagne das Ziel, „die positiven Aspekte der Umgebung, die Menschen, die darin leben und die Unternehmensvielfalt, die es in Freyung-Grafenau gibt, nahezubringen“, wie es auf der Webseite heißt. „Wir wollen dem Klischee entgegenwirken, dass bei uns jobmäßig nichts geboten ist“, sagt Regionalmanager Stefan Schuster. Daher gibt es auf der Webseite der Kampagne auch ausführliche Porträts lokaler Unternehmen und ein Karriereportal mit offenen Stellen.

Mit von der Partie im Projekt: Die Sparkasse Freyung-Grafenau, die das Projekt von Anfang an als Hauptsponsor und Multiplikator förderte. Die finanzielle Unterstützung stärkte die Reichweite und Qualität der Kampagne. Außerdem beteiligte sich die Sparkasse selbst mit eigenen Inhalten. So wurde für die Homepage der Kampagne eigens ein aufwendiges Image-Video produziert, in dem sich die Sparkasse als attraktiven Arbeitgeber präsentiert. Für die Produktion engagierte die Sparkasse selbstverständlich ein ortsansässiges Unternehmen, nämlich die junge Agentur Ultima Design, deren Gründer allesamt dem Profil entsprechen, das die Kampagne adressieren will: Alle drei sind unter 25, haben auswärts studiert und sind dann in die Heimat zurückgekehrt, um sich hier eine Existenz aufzubauen.

Bericht an die Gesellschaft 2018

Initiativen