Weiterbildung und lebenslanges Lernen | DSGV - 2018
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Weiterbildung und lebenslanges Lernen

Qualifizierung: Generationentandems auf der Erfolgsspur  

Die Kooperation von jungen und älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglicht einen effizienten Austausch von Expertise und Kompetenzen, aber auch wichtigen Leitwerten und Aspekten der Unternehmenskultur – zum Beispiel bei dem Konzern Versicherungskammer Bayern.

Erfolgreiche Personalentwicklung bedeutet auch, die richtige Mischung und Balance aus all den Kenntnissen und Talenten zu finden, die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eingebracht werden. Ältere Mitarbeiter punkten mit viel Erfahrung und Know-How aus der Praxis. Junge Menschen wiederum sind oft näher an aktuellen Trends und Innovationen. Generationentandems bieten die Möglichkeit für einen neuen Mentoring-Ansatz, denn sie liefern die Initialzündung für Austausch und Dialog zwischen den Generationen.

Im Konzern Versicherungskammer Bayern schlossen sich in einem Modellprojekt 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu 20 Generationentandems zusammen. Während sonst vor allem darauf geachtet wird, Menschen mit möglichst ähnlichen Interessen zusammenzubringen, legte man bei der Versicherungskammer Wert auf Unterschiedlichkeit. Die Tandems wurden über unterschiedliche Ressorts, Aufgabenbereiche und Standorte zusammengeführt. Maßgeblichster Unterschied war das Alter: „Es ging uns darum, ein altersübergreifendes Lernen für Beruf und Leben zu ermöglichen, Wissen und Werte weiterzugeben und einander verstehen zu lernen“, sagt Claudia Scheerer, Pressesprecherin der Versicherungskammer.

Diversity: Vielfalt als Chance

Die Idee zu diesem Konzept kam aus dem „Diversity Management“ des Unternehmens. Diese Initiative spielt in der Diskussion über eine nachhaltige und zukunftsgerichtete Organisation des Personalwesens eine immer wichtigere Rolle, und er steht für einen konstruktiven und kreativen Umgang mit der personellen, sozialen und fachspezifischen Vielfalt, die sich in der Belegschaft eines Unternehmens findet. Ausgangspunkt der Überlegungen: Dass sich in einem Unternehmen ganz unterschiedliche persönliche Biographien, Erfahrungen und Interessen finden, ist eine große Chance. In dieser Vielfältigkeit spiegelt sich auch gesellschaftliche Vielfalt und damit die Möglichkeit, aus erster Hand zu erschließen, was auch die Kunden oder Partner eines Unternehmens bewegt, welche zukünftigen gesellschaftlichen Trends und Entwicklungen möglich und strategisch relevant sein könnten.

In zwischenzeitlich 13 Diversity-Initiativen geht es also ganz explizit darum, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu ermutigen, ihre individuellen Erfahrungen, Kompetenzen und Anschauungen als wertvolle Ressourcen zu begreifen und konstruktiv einzubringen. Bei der Versicherungskammer, dem größten öffentlichen Versicherer, spielt dieses Thema schon seit einigen Jahren eine wichtige Rolle: Nachdem sich die Versicherungskammer 2012 bereits in einem Frauennetzwerk mit dem Thema Vielfalt beschäftigte, bildete der Konzern 2016  spezielle Diversity-Arbeitsgruppen und ermutigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur freiwilligen Teilnahme. 2018 trat das Unternehmen der „Charta der Vielfalt“ bei, einer Initiative unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich für ein besonders vorurteilsfreies Arbeitsumfeld einsetzt und der sich mittlerweile über 3.000 Unterzeichner angeschlossen haben. „Diversity ist ein Kernwert unseres Konzerns“, erläutert Claudia Scheerer. „Wir legen besonderes Augenmerk auf Demografie, Umgang mit technischer Entwicklung, Wertvorstellungen und Offenheit für Neues.“

Lockere Struktur

Die Generationen-Tandems sind eine Ausprägung dieses Diversity-Engagements. Anders als bei klassischen Mentoringmodellen ging es in den Tandems ganz explizit nicht nur um den Austausch praktischer Erfahrungswerte, sondern auch um Wertvorstellungen und Unternehmenskultur. Die Inhalte, mit denen sich die jeweiligen Kolleginnen und Kollegen befassen, wählen sie weitestgehend eigenständig. „In der Ausgestaltung bzw. im Dialog, als auch im Vorgehen, bspw. Häufigkeit der Treffen, waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer völlig frei.“ Die Chance zum Dialog wurde gerne angenommen, auch wenn Scheerer konstatiert, dass nicht nur die Themen, sondern auch die Intensität und Häufigkeit des Austauschs sehr unterschiedlich waren. „Es gibt einige Tandems, die sich auch nach mehreren Jahren noch treffen“, sagt Scheerer. Das ist ganz im Sinne des Projekts, das zunächst einmal einen Impuls für den generationenübergreifenden Dialog setzen sollte.

Bei den Tandems ist das auch so angekommen: „Die Sichtweisen eines erfahrenen Kollegen sind eine Alternative“, sagt Franziska Wolfrum (29), Vertriebsassistentin bei der Versicherungskammer und Tandem-Teilnehmerin. „Sie bietet uns Jüngeren gerade in schwierigen Situationen einen anderen Blickwinkel.“ Bernhard Bothner (63), IT-Trainer und Wolfrums Tandem-Partner, sieht den Nutzen nicht nur im fachlichen Austausch, sondern auch im „Gespräch über Werte“. Besonders aufschlussreich fand er, dass das Gespräch über Vielfalt auch zeigen kann, wo sich Brücken bauen und Verbindungslinien ziehen lassen: „Da war für mich interessant zu sehen, dass der Altersunterschied im Prinzip nicht feststellbar war.“

Tandem-Teilnehmerin Franziska Wolfrum (29) und Tandem-Partner Bernhard Bothner (63).

Reverse Mentoring: Azubis als Mentoren

Für die Versicherungskammer sind Generationen-Tandems in jedem Fall „ein Erfolgsmodell“. Die Erfahrungen aus dem ersten Projekt sind nun in ein weiteres Modell eingeflossen, in das sogenannte „Reverse Mentoring“. Hier ist der übliche Mentoring-Prozess, nämlich dass ältere Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihre Erfahrung und Kompetenz an jüngere Kolleginnen und Kollegen weitergeben, genau umgekehrt: Hier sind Führungskräfte die Mentees und Azubis die Mentoren. Martin Fleischer, Vorstand der BavariaDirekt, ist ein Teilnehmer dieses Modells. Für ihn ist das Konzept ein hilfreicher Ansatz, um „die digitale Welt, Werte, Lebensmodelle und vor allem die Arbeitswelt aus Sicht der jungen Kunden und Mitarbeiter von heute und morgen kennenzulernen.“ Alexandra Schlott, Hauptabteilungsleiterin bei der Versicherungskammer ist es wichtig, „sich frühzeitig mit neuen Tendenzen, vor allem auch im technischen und digitalen Bereich auseinanderzusetzen und diese Entwicklungen auch aktiv mitzugehen.“

Wie schon im vorausgegangenen Projekt ist Wissenstransfer auch im Reverse-Mentoring-Modell nur eine Facette: Auch das jeweilige Werteverständnis soll zur Sprache kommen. „Beide Modelle fördern Kommunikation und Verständnis zwischen den Generationen und stoßen bei unseren Mitarbeitern auf positive Resonanz“, erläutert Scheerer. Das sieht auch Teilnehmerin Alexandra Schlott so: „Mir gefällt die Idee, den Austausch zwischen den Generationen zu fördern. Wir bewegen uns in der Arbeitswelt in einem relativ homogenen Umfeld. Dabei übersieht man, dass nachfolgende Generationen zum Teil ganz andere Ansätze und Vorstellungen haben.“ Für ihre Mentoringpartnerin Carolin Wolf ist „unser Tandem in erster Linie eine große Chance. Durch den persönlichen Austausch hat sich mein Arbeitsalltag zwar nicht komplett verändert, jedoch betrachte ich einige Dinge nun oftmals aus einem anderen Blickwinkel.“

Die Versicherungskammer ist übrigens nicht das einzige Unternehmen der S-Finanzgruppe, das erfolgreich Generationentandems eingesetzt hat. Auch bei der Sparkasse Nürnberg arbeitet man mit generationenübergreifenden Kleinstteams, um Wissen auszutauschen und neue Ansätze auszuprobieren. Und bei der Frankfurter Sparkasse praktiziert man ebenfalls seit 2016 ein „Reverse Mentoring“, bei dem Azubis Führungskräfte beraten, digitale Kenntnisse vermitteln oder darüber erzählen, wie die junge Generation so tickt.

  • 132.458.000 Euro Ausgaben für Fort- und Weiterbildung der Sparkassen insgesamt

Bericht an die Gesellschaft 2018

Haltung