Sustainable Finance

Krisenmodus ohne Ende. Hat das Klima eine Chance?

Die Energiewende ist eingeläutet – zumindest wenn es nach dem Willen der Politik geht. Die Forderung nach sauberer, nachhaltiger und bezahlbarer Energie gehört ausdrücklich zu den 17 „Sustainable Development Goals“, den politischen Zielsetzungen für eine nachhaltige Entwicklung, auf die sich die Vereinten Nationen verpflichtet haben. Die Praxis scheint jedoch ein anderes Bild zu zeichnen: Seit der Corona-Pandemie nehmen die Emissionen durch Kohlekraftwerke weltweit wieder deutlich zu. Auf der Weltklimakonferenz COP26, die im Herbst 2021 in Glasgow stattfand, konnten sich die Teilnehmer außerdem nicht, wie von vielen Klimaschützern gehofft, auf einen endgültigen Ausstieg aus der Kohlenutzung einigen, sondern nur auf einen „Phase down“, eine schrittweise Reduzierung der Kohleverstromung.

Nach jeder Krise steigen die Emissionen wieder an

Vor allem in Schwellenländern wie Indien und China scheint Kohleenergie immer noch das probateste Mittel, um das industrielle Wachstum weiter zu beschleunigen. Die Autoren des „Production Gap Reports“, der vom UN-Umweltprogramm (UNEP) und dem Stockholm Environment Institute herausgegeben wird, rechnen für die kommende Dekade gar mit einem Anstieg der Produktion fossiler Brennstoffe von jährlich zwei Prozent. Einige Klimaexperten zeichnen daher schon ein pessimistisches Bild: „Nach jeder Krise steigen die Emissionen wieder an“, kritisiert Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. „Wenn alle geplanten und gebauten Kohlekraftwerke noch die nächsten Jahrzehnte in Betrieb bleiben, können wir die Klimaziele des Pariser Klimavertrages vergessen.“

Hinzu kommt, dass der Krieg in der Ukraine ein weiteres Problem offengelegt hat, das gerade in Deutschland ganz besonders zu Tage tritt: Um die Energiewende zu stützen, sind politische und wirtschaftliche Abhängigkeiten entstanden, die nicht so einfach zu lösen sind. Erdgas aus Russland spielte bis dato in den Planungen der Bundesregierung eine wichtige Rolle als Brückentechnologie und zum Aufbau von Reservekapazitäten, um den Ausstieg aus der Kohleenergie und den Umstieg auf erneuerbare Energien wirtschaftlich stabil zu bewältigen. Die Abhängigkeit von russischem Gas soll nun beendet werden. In Politik und Wirtschaft gibt es daher Stimmen, die den vorgesehenen Zeitplan für den Kohleausstieg in Frage stellen. So hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke gefordert, darüber nachzudenken, „ob die Zeitschiene für den Kohleausstieg 2030 real ist“.

Auf Dauer werden sich erneuerbare Energien durchsetzen

Nicht alle Experten teilen jedoch diese pessimistischen Perspektiven: So ist etwa Catharina Hillenbrand von der Neyen, Klimaforscherin des Think Tanks „Carbon Tracker“, davon überzeugt, dass “der langfristige Trend hin zu stark sinkender Auslastung” von Kohlekraftwerken geht. Die wachsende Konkurrenz durch erneuerbare Energien sorge dafür, dass Kohlekraftwerke nicht mehr voll ausgelastet und daher unrentabel werden. Ähnlich sieht es Gaurav Ganti vom Klima-Think-Tank „Climate Analytics“: „Es ist unwahrscheinlich, dass diese Renaissance der Kohle angesichts des Gegenwindes durch die kostengünstigen erneuerbaren Energien lange anhält”, schätzt er. Dennoch sieht er Handlungsbedarf: „Die Industrieländer müssten sich bis 2030 von der Kohleverstromung verabschieden. Weltweit wäre bis 2040 Schluss. Die Entwicklungsländer werden dafür enorme internationale Unterstützung brauchen.”

Für Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, hat die Energiewende allenfalls eine Pause eingelegt. Für sie ist aber auch klar, dass die Herausforderungen nicht weniger geworden sind: „Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, das bei Fehlern mit schmerzhaften Wachstums- und Vermögenseinbußen verbunden sein kann“, urteilt sie. „Der erhebliche Investitionsbedarf birgt angesichts der vielfach angespannten Lage der öffentlichen Haushalte und hoher Auslastung in zentralen Branchen wie dem Baugewerbe Konfliktstoff.“ Sie fordert daher, dass „Effizienz und Zielgenauigkeit angesichts knapper Ressourcen entscheidende Kriterien für die ergriffenen Maßnahmen“ sein sollten.

Abkehr von gewohnten Handlungsmustern ist möglich

Dennoch kann sie in den aktuellen Krisen auch positive Signale erkennen. „Die Pandemieherausforderungen haben das Thema Nachhaltigkeit zwar etwas in den Hintergrund treten lassen“, urteilt Gertrud Traud. „Der Umgang mit Corona zeigt aber, dass mit politischen Anreizen und breiter gesellschaftlicher Unterstützung die Anpassung von gewohnten Verhaltensmustern möglich ist.“ In ihren Augen wird die Finanzwirtschaft dabei eine besonders wichtige Rolle spielen: „Sustainable Finance ist unerlässlich beim Wandel hin zum Weltwirtschaftssystem der Zukunft und wird damit auch zu einem bedeutenden Wettbewerbsfaktor für internationale Finanzplätze. Schließlich braucht es für das Gelingen der Energiewende und die dafür notwendige Transformation in den Unternehmen eine entsprechend ausgerichtete Finanzbranche. Durch die Konzentration verschiedener Akteure können Finanzstandorte dabei einiges bewirken, einzeln und in Interaktion rund um den Globus.“