Nachhaltige Finanzprodukte in der Anlageberatung

Wieviel Nachhaltigkeit gehört ins Portfolio?

Es ist ein klares Ziel der europäischen Politik: Im Rahmen des European Green Deal soll die Europäische Union ein nachhaltig wirtschaftender Wirtschaftsraum werden. Auf dem Weg dorthin kommt nachhaltigen Finanzprodukten in der Anlageberatung eine dynamisch wachsende Bedeutung zu.

So schließen viele Richtlinien von Banken und Sparkassen aufgrund regulatorischer, politischer und gesellschaftlicher Anforderungen mittlerweile zahlreiche Unternehmen und Branchen aus, die beispielsweise nicht nachhaltige Produkte und Dienstleistungen anbieten, problematische Rohstoffe verwenden oder klimaschädliche Produktionsverfahren einsetzen. Langjährige Erfahrungen zeigen, dass Anlageprodukte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen nicht mit anderen Renditeerwartungen verbunden sind als nicht-nachhaltige Anlagen. Im Gegenteil: Unternehmen, die ihre Wirtschaftsweise bereits auf eine nachhaltige Produktion umgestellt haben, erzielen oft schon heute Markterfolge, die sich positiv auf ihre Ertragslage und ihre Zukunftsperspektiven auswirken.

Wie nachhaltig können Hersteller von Rüstungsgütern sein?

Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen erscheinen aber plötzlich einige Branchen unter Renditegesichtspunkten wieder lukrativ, die bisher unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten nicht zu den gut bewerteten Wirtschaftszweigen gehörten. Dazu gehört zum Beispiel die Rüstungsindustrie. Unternehmen, die Waffen und Kriegsgerät herstellen, passen nach den gängigen Bewertungskriterien auf den ersten Blick kaum in ein nachhaltiges Anlageportfolio. Andererseits hat der Krieg in der Ukraine einerseits gezeigt, dass im Falle eines illegitimen Angriffskrieges Waffen zur Verteidigung eines Landes sehr wohl benötigt werden. Zum anderen zeigt sich, dass die Märkte das Absatzpotenzial kriegerischer Auseinandersetzungen unsentimental sehr positiv einschätzen, was zu einer teilweise deutlichen Wertsteigerung von Rüstungsaktien geführt hat.

Auch wenn in vielen ESG-Richtlinien der Finanzdienstleister insbesondere Hersteller geächteter Waffen aus den Anlageportfolios ausgeschlossen werden, gibt es bereits vermehrt Stimmen, die das Überdenken der pauschalen Ausgrenzung von Rüstungsunternehmen aus Nachhaltigkeitsportfolios fordern. Der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie appellierte in der vergangenen Zeit wiederholt an die EU, den positiven Beitrag, den die Branche zur Stabilisierung demokratischer Gesellschaften leiste, anzuerkennen. Sicherheit sei die Mutter aller Nachhaltigkeit, ließ der Verband in einem seiner öffentlichen Statements verlauten und warnte vor massiven Finanzierungsproblemen der Branche aufgrund der EU-Taxonomie.

Erste Finanzinstitute in Deutschland haben bereits ihre internen Nachhaltigkeitsrichtlinien so angepasst, dass ihre ESG-Fonds ausgewählte Investitionen in Hersteller von Rüstungsgütern ermöglichen. Dies gilt zwar unmissverständlich nicht für jedwede Form geächteter Waffen, doch auch in anderen Ländern der EU und in der Schweiz gibt es Diskussionen darüber, ob der Rüstungsindustrie, zumindest so lange sie defensiv orientiert bleibe, nicht ein nachhaltiger Wert zugesprochen werden könne.

Gefährden Kompromisse die Glaubwürdigkeit der Nachhaltigkeitsidee?

Kernkraft ist ein weiteres Beispiel dafür, wie vermeintlich klare politische Zielsetzungen, die von der Finanzindustrie in ihre Richtlinien für nachhaltige Finanzierungen und Anlagen aufgenommen werden, vor dem Hintergrund neuer politischer Diskussionen und Entscheidungen wieder in Frage gestellt werden können.

So entschied das Europäische Parlament im vergangenen Jahr, dass im Rahmen der sogenannten EU-Taxonomie einzelne Atomenergie- und Erdgasaktivitäten unter bestimmten Voraussetzungen in die Liste der ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten aufgenommen werden können. Dafür plädiert hatten vor allem Frankreich, aber auch eine Reihe osteuropäischer Staaten. An der Entscheidung gab es vor allem in Deutschland heftige Kritik: Die Zulässigkeit bestimmter Atomenergie- und Erdgasengagements und -Finanzierungen nach der EU-Umwelttaxonomie sei ein politischer Kompromiss, der großen Schaden für Nachhaltigkeitsfonds in Sachen Glaubwürdigkeit angerichtet habe, rügte etwa Roland Kölsch, Geschäftsführer des Forums Nachhaltige Geldanlagen (FNG).

Intergenerationale Verpflichtung

Die andauernden Diskussionen haben praktische Konsequenzen für die Anlageberatung. Kunden und Kundinnen wünschen sich zu Recht eine zuverlässige und zukunftssichere Beratung. Doch wenn als fix geltende klare Definitionen und Grenzziehungen plötzlich ins Wanken geraten und Branchen, denen für die Zukunft nur eine eingeschränkte Finanzierbarkeit attestiert wurde, hohe Renditen abwerfen, dann sorgt das verständlicherweise auch für Verunsicherung bei Anlegern und Verbrauchern. Nur eine Minderheit der deutschen Anleger und Anlegerinnen schätzt das eigene Wissen zum Thema Nachhaltigkeit als „sehr gut“ ein, heißt es zum Beispiel hierzu im aktuellen Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.

Kritik an den Unklarheiten und Aufweichungen der EU-Umwelttaxonomie gibt es auch aus der Sparkassen-Finanzgruppe. „Wir halten die Entscheidung, Investitionen in Atomenergie und fossiles Gas unter bestimmten Voraussetzungen zuzulassen, für falsch“, sagt Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. „Eines der Grundprinzipien der Nachhaltigkeit ist die intergenerationale Verpflichtung. Allein die ungelöste Endlagerfrage bricht im Fall der Atomenergie mit diesem Grundsatz.“

Transparenz plus Taxonomie

Wie also damit umgehen in der Anlageberatung? In der Sparkassen-Finanzgruppe setzt man vor allem auf Transparenz. In dieser Hinsicht spiele die EU-Taxonomie, trotz aller Diskussionen, eine wichtige Rolle: Sie ermögliche Anlegern einen besseren Ein- und Überblick.  „Die Transformation hin zu einer CO2-armen Gesellschaft wird vorangetrieben durch weitere inhaltliche Ergänzungen der Taxonomie“, sagt Speich. „Ein breiteres Taxonomie-Verständnis trägt dazu bei, dass zunehmend Investitionen in nachhaltige Branchen hineinfließen und sich neue strukturell langfristige Bewertungen am Kapitalmarkt herausbilden. Die Geschwindigkeit der Transformation der Realwirtschaft wird letztlich so erhöht werden.“

Das sieht Kevin Bröde, Leiter Nachhaltigkeit der Förde Sparkasse, aus der Perspektive einer Sparkasse und ihrer Kundinnen und Kunde ganz ähnlich: „Die Taxonomie bietet schlichtweg die erforderliche Orientierung und wird so über kurz oder lang zu einer Lenkung der Kapitalflüsse in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten führen. Die Aufnahme von Gas und Atomkraft ist aus Sicht der Nachhaltigkeit natürlich nicht zu begrüßen, sie dürfte rein politisch motiviert sein. Aber aus vielen guten Gründen ist es besser, für die Zielerreichung eine Taxonomie mit Mängeln zu haben, als gar kein Regelwerk.“

Bröde vermutet, dass der Großteil der Anlegerinnen und Anleger letztlich eher persönlichen Präferenzen folge und nicht politischen Diskussionen. Aus diesem Grund können Kundinnen und Kunden der Sparkassen bei ihren Anlageentscheidungen aus einem breiten Angebot möglicher Produkte wählen. „Die Taxonomie verpflichtet ja schlussendlich keine Investorin und keinen Investor, in Atomkraft oder Gas zu investieren. Alle Klein- und Großanleger haben heute die Möglichkeit, diese Energieträger bei ihren Investments zu meiden. Ich gehe davon aus, dass dies viele Investorinnen und Investoren auch weiterhin tun werden.“